Montag, 18. August 2003

Kailash - Sutley Canyon


Heute ist ein sehr anstrengender Tag.
Nach dem Frühstück, das wir wieder in unserem „Stammlokal“ einnehmen (Momos – gut, Reissuppe mit gesalzenem Gemüse – brrr...), verlassen wir Tholing, das wie eine Oase in dieser wüstenartigen Canyonlandschaft wirkt. Vorher wird noch Marschverpflegung (frische Kuchen und Kekse) bei einer sehr netten Chinesin gegenüber des Restaurants besorgt.

Wir fahren durch die beeindruckende Canyonlandschaft bis nach Tsaparang und besichtigen die am und im Berg gebaute, zum Teil von den natürlichen Sandsteinformationen nicht unterscheidbare Tempelstadt. Über steile Treppen und ins Gestein gegrabene Tunnels geht es bis zur spitze des Berges (immerhin wieder fast auf 3800m). Von oben hat man eine prachtvolle Aussicht auf den Canyon.
Einige der in den Tempeln noch vorhandenen Wandmalereien lassen die ursprüngliche von Govinda beschriebene Pracht noch erahnen – der Grossteil der Kunstwerke wurde leider auch hier während der Kulturrevolution oder durch eingedrungenes Wasser zerstört. Einige zaghafte Restaurierungsversuche sind zwar im Gange, aber...
Trotzdem ist Tsaparang sicher einer der Höhepunkte der Reise.

Wir fahren zum Mittagessen zurück nach Tholing. Ein großer Topf Nudelsuppe mit Gemüse und Fleisch für jeden – natürlich wieder im selben Restaurant – sehr gut.

Dann fahren wir los – wir wollen ja wieder zurück zur Hauptstraße nach Ali, allerdings auf der zweiten, neueren Straße. Die Fahrt ist mehr als abenteuerlich.

Zunächst fahren wir noch weiter durch die wunderbare Canyonlandschaft des Sutley.
Da wir ja bis auf 3600m runter gefahren sind, heißt es jetzt wieder Höhe gewinnen.
Zwei um die 5200m (!) hohe Pässe sind zu überwinden.
Schwindelerregende am Berghang klebende, zum Teil vom Wasser weggerissene, von Schlaglöchern übersäte Fuhrwege, eingestürzte Brücken, Schluchten, Staub usw...

Die Fahrer fahren natürlich wieder was das Zeug hält. Am Beifahrersitz bricht mir schon manchmal der Angstschweiß aus, wenn unser Auto bei einer extremen Schräglage hunderte Meter über der Schlucht um die engen Kurven schlittert.
Besonders unangenehm das untertourige Fahren, das sie bevorzugen. Geschaltet wird erst, wenn der Wagen schon fast steht...

Weiters dient die „Straße“ nur als grobe Richtlinie. Wo es nur geht machen wir einen Abschneider, vorzugsweise beim Bergabfahren – sie fahren einfach senkrecht den Berghang hinab – Motorbremse unbekannt, falls die normalen Bremsen versagen, eine Handbremse gibt’s auch noch irgendwo.

Dabei haben wir mit unserem Fahrer noch Glück. Er ist sehr umsichtig und hilfsbereit und lehnen wir einen allzu gefährlichen Shortcut ab, wählt er die sicherere Variante.
Auch unser Auto – obwohl bereits mehr als 200.000km am Buckel – macht kaum Probleme. Es müssen zwar immer wieder (wie bei den anderen auch) irgendwelche Filter vom Staub gereinigt werden, aber sonst passt es.
Da macht ein anderer Jeep schon mehr Probleme, ständig schrauben sie daran herum – einmal wurde einfach ein defektes ca. 1m langes Gestänge von unterhalb des Fahrzeugs entfernt (ohne es zu ersetzen), dann fuhren sie weiter. Bei der nächsten Pause „spendete“ ihnen unser Fahrer ein Ersatzteil, das er einfach aus unserem Motor ausbaute (jetzt fehlt es halt bei uns...)

Nach der Überwindung des ersten Passes war auf der anderen Seite kein Weiterkommen mehr: LKW-Panne mit Stau der Entgegenkommenden, dürfte schon längere Zeit bestehen, da sich trotz des geringen Verkehrsaufkommens eine lange Kolonne gebildet hat – an ein Vorbeikommen bei der einspurigen Straße am Berghang ohne Ausweichmöglichkeit, noch dazu über 5000m – nicht zu denken.
Was tun? Zurückfahren? Nein. Die Fahrer lösen das Problem, indem sie den gesamten Stau abschneiden und umfahren – sie lassen sich senkrecht den Berg hinunter (es gibt hier schon einige Fahrspuren, aber...) Wir sind jedenfalls vorher ausgestiegen.

Das Manöver klappt und wir fahren weiter durch die faszinierende (und das ist sie) Landschaft. Vorbei an Schaf- und Yakherden, Nomadenzelten...
Langsam regt mich die gefährliche Straße immer weniger auf. Die Leistung unseres Fahrers ist schon beachtlich. Ich bin froh, dass ich mir an der Grenze das richtige Fahrzeug ausgesucht habe...

Franz erzählt mir am Abend, dass sie bei einer dieser berüchtigten Abkürzungen einen Dreher mit ihrem Jeep hatten und fast abgestürzt wären...

Fast schon in der Dämmerung haben wir es geschafft – die Hauptstraße ist in Sicht – und unser Lager auch. Unsere Sherpas haben ein wunderschönes Zeltlager aufgebaut (direkt am Fluss, zwischen zwei Bächen, alle Zelte wurden gereinigt...) und erwarten uns schon mit Tee und Keksen.

Der Koch hat sich auch wieder selbst übertroffen. Es gibt Hummerchips, heiße Tomatensuppe, Gemüse-Momos (Ravioli) mit Kichererbsen und Gemüse. Als Nachspeise hat er uns noch einen Kuchen gebacken (mit Glasur!).

Zufrieden und satt krieche ich in meinen Schlafsack.
Lager bei Namru 4300m.

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